Behauptung
„Stärkung des Industriestandorts“
„Schaffung von 45 Arbeitsplätzen liegt im öffentlichen Interesse“
„Investitionen von rund 30 Mio €“
Realität
Ein Störfallbetrieb mit hohem Risiko führt
· zu Attraktivitätsverlust für Lebensmittel- und Medizintechnikindustrie
· potentieller Gefährdung von vorhandenen 1200 Arbeitsplätzen
Fördermittel von rund 7 Mio € kommen aus öffentlichen Geldern
Vor ziemlich genau 20 Jahren, am 31.01.2003 wurde der Bebauungsplan Nr. 39 „Industriepark Göhrener Tannen“[1] der Landeshauptstadt Schwerin rechtskräftig. Stand 2023 [2] sind bei dieser „Investition in die Zukunft“ noch über die Hälfte, rund 195 von 350 ha FREI. In Gesprächen mit der Verwaltungsspitze wurde klar, welch enormer Druck auf der Landeshauptstadt liegt, die verbleibenden Flächen loszubekommen. Unterstützung bekam sie schließlich vom Wirtschaftsministerium und der eigens für Industrieansiedlungen zuständigen MV Invest GmbH [3]: „Umso mehr freuen wir uns darüber, dass wir dem Unternehmen Vink Chemicals eine passgenaue Lösung anbieten konnten, die überzeugt hat.“ PM Nr.228/20 | 27.05.2020.
Ab ca. min 01:00 wird in dem NDR Beitrag [4] vom 13.03.2023 eine Fördersumme von rund 7 Mio € genannt. Was in all den Berichten nicht näher erläutert wird, ist die Einordnung des Werkes als „Störfallbetrieb“. Bei einem „Störfall- UND Dennochstörfallbetrieb“ wird vom Gesetzgeber davon ausgegangen, dass „trotz geeigneter Auslegung von Anlagen ein Versagen eintritt“, man spricht vom „Dennoch“-Störfall“ [5] Hinzu kommt, dass die deutsche Störfallverordnung lediglich die „Betriebsbereiche“ mit gefährlichen Stoffen betrachtet. [6]: „Während in Deutschland und Österreich die jeweilige Störfallverordnung nur für Betriebsbereiche bzw. -anlagen gilt, sind in der Schweiz und in Liechtenstein auch Verkehrswege…“ eingeschlossen. Die deutsche Störfallverordnung berücksichtigt jedoch keine Allmählichkeitsschäden:
„Nicht darin geregelt sind entsprechend Allmählichkeitsschäden durch zu hohe Emissionen.“
Das bedeutet bei der geplanten Ansiedlung der Chemiefabrik in Schwerin konkret, dass weder die jährlich ca. 5000 Transporte (täglich ca. 15 LKW) mit gefährlichen Chemikalien, die durch Natur- und Trinkwasserschutzgebiete führen, berücksichtigt werden, noch die Emissionen im Normalbetrieb. Kontaminierte Abluft und Abwasser dürfen im Rahmen der gesetzlichen Grenzwerte dementsprechend in die Umwelt gelangen. Wie hoch diese Kontaminationen sein werden, ist bis heute nicht sicher nachgewiesen, da im Genehmigungsverfahren bisher keine genauen Angaben zur Abluftreinigungsanlage und zur Reinigung des Abwassers vorgelegt wurden.
Entgegen der Behauptung, die anliegenden Unternehmen hätten keine Einwände gegen Bau und Betrieb einer Störfallanlage, äußerte sich zumindest der benachbarte Betrieb der Lebensmittelindustrie bereits öffentlich und zeigte sich entsetzt: „Nestlé in MV wehrt sich gegen Störfallbetrieb in der Nachbarschaft“ [7], „Wir waren von Anfang an gegen diese Chemiefabrik.“ [8], „Ein Störfallbetrieb neben einem Lebensmittelwerk, das passt nicht zusammen“… „Schwerin riskiert, dass Nestlé am Standort nicht mehr investiert“ [9].
Denn nicht nur Nestlé ist von den zu erwartenden Emissionen im Normalbetrieb, wie z.B. Abluft betroffen und müsste für seine Produktionsstätte in wesentlich teurere Luftfilteranlagen investieren. Auch alle zukünftigen Firmen sind mit einem sehr viel höheren Risiko einer Kontamination mit hochtoxischen Stoffen und einem zu erwartenden Störfall konfrontiert. Attraktivität und öffentliches Interesse sieht anders aus! Aus diesem Grund legte der BUND auch Beschwerde beim Landesrechnungshof [10] gegen die Förderung dieser Ansiedlung ein.
[1] https://www.schwerin.de/mein-schwerin/leben/planen-bauen/stadtplanung/bebauungsplanung/rechtskraeftige-bebauungsplaene/goehrener-tannen/39/
[2] https://www.schwerin.de/wirtschaft/wirtschaftsstandort/industriepark-schwerin/
[3] https://www.regierung-mv.de/Landesregierung/wm/Aktuell/?id=160516&processor=processor.sa.pressemitteilung
[4] https://www.ardmediathek.de/video/nordmagazin/schwerin-vink-chemicals-plant-werk-fuer-konservierungsmittel/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS8yYjNjMjExOC1kMjI5LTQ3OTItODhiMy1kNzcwOWMyZDQ3NTY
[5] https://www.umweltbundesamt.de/aegl-stoerfallbeurteilungswerte-bedeutung-recht
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%B6rfallverordnung
[7] https://www.svz.de/lokales/schwerin/artikel/nestl-in-mv-gegen-geplante-chemiefabrik-in-schwerin-44440300#comments
[8] https://www.svz.de/lokales/schwerin/artikel/chemiefabrik-in-schwerin-sued-ist-weiter-hoch-umstritten-44746544
[9] https://www.svz.de/lokales/schwerin/artikel/chemiewerk-in-schwerin-gefaehrlich-das-sagt-umweltamt-dazu-44826668
[10] https://www.bund-mecklenburg-vorpommern.de/service/presse/detail/news/beschwerde-zur-foerderung-der-geplanten-chemiefabrik-schwerin/